Jerusalem - Tempeldienst - Nächstenliebe - Muslime auf dem Tempelberg in einem würdevollen Haus

Freitags ein Denkanstoß aus dem Hause Israel: eine jüdische Stimme zur Begegnung Jesu mit der samaritanischen Frau in Johannes 4, 19-26

Shmuel Herr nähert sich als orthodoxer, die Gebote haltender Jude, der im modernen Staat Israel lebt, dem christlichen Predigttext zum 10. Sonntag nach Trinitatis, dem "Israelsonntag".

"[...] in der uns vorliegenden Form setzt sich der Text mit zwei der größten Fragen auseinander, die sich dem Judentum stellen: mit der Bedeutung Jerusalems und mit der Bedeutung der Erwählung des Volkes Israel. Der Auszug Jesu von Jerusalem nach Samaria muss uns an den Auszug eines anderen Juden aus Jerusalem erinnern, der ungefähr zwei Generationen später stattfand, der Auszug von Jochanan ben Sakkai von Jerusalem nach Javne: Jerusalem stand damals kurz vor seiner Zerstörung und die Römer belagerten die Stadt von allen Seiten. In der Stadt tobten dieZeloten und versprachen, dass im letzten Augenblick Gott die Rettungbringen werde und dass der Sieg gewiss sei. In dieser Situation flüchtete ein Weiser aus der Stadt, Jochanan ben Sakkai. Seine Schüler trugen ihn versteckt in einem Sarg aus Jerusalem. Er begab sich zum römischen Kaiser Vespasian. Einer bekannten Legende zufolge bat er ihn nicht darum, Jerusalem zu verschonen, sondern erbat von ihm „Javne und seine Weisen“. Er bat ihn um einen Ort, an dem er mit seinen Schülern fortfahren könne, Tora zu lernen. Für Jochanan ben Sakkai war das Studium der Tora wichtiger als Jerusalem und der Tempel. [...] Wir haben das Tora-Studium und die Taten der Nächstenliebe – sie sind wichtiger als der Tempel. Vielleicht ist gerade nach derZerstörung des Tempels schließlich die Möglichkeit entstanden, Gott „im Geist und in der Wahrheit“ zu dienen. Aber was können wir heute als Juden in Israel dazu sagen? Sind wir nicht von Javne aus zurückgeflohen nach Jerusalem? Haben wir nicht heutzutage das Paradigma des Geistes wieder in ein Paradigma des Landes umgewandelt? [...]"

Shmuel Herr erinnert an die Verheißung des Propheten Jesaja:

Jesaja 2,2–5: „Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter denHeiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!"

In Anlehnung an einen mittelalterlichen Midrasch, der fragt, was sei, wenn der Tempel zerstört sei und der Tempelberg nicht unter mehr unter Israels Verfügung stehe - wie im heutigen Israel, antwortet Shmuel Herr:

"Die prophetische Vision ist in der Tat realisiert, und die Muslime, die heute den Tempelberg in ihrer Obhut haben, haben dort ein würdevolles Haus errichtet und dienen dort Gott. Und sie werden mit diesem Gottesdienst fortfahren, bis der Lehrer der Gerechtigkeit, der Messias, kommt. Gerade der komplizierte Zustand, der sich über 2000 Jahre in Jerusalem herausgebildet hat, bietet uns also eine Möglichkeit, die große prophetische Vision des Jesaja zu verwirklichen. Das ist die Vision, die sowohl Jesus als auch Jochanan ben Sakkai angestrebt haben. Oder, um es mit den Worten Jesu aus Joh 4,23 auszudrücken: „Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit.“ – Ja, diese Stunde ist jetzt und wir können nur hoffen, dass wir sie nicht verspielen werden."

Der vollständige Text von Shmuel Herr im PDF

Dieser Beitrag ist Teil der Serie "Am Rockzipfel des Judentums - Freitags ein Denkanstoß aus dem Hause Israel"

in Anlehnung an Sacharja 8,23, wo der HERR der Heerscharen spricht:
"In jenen Tagen, da ergreifen, ja ergreifen zehn Menschen aus allen Sprachen der Nationen den Zipfel einer einzigen jüdischen Person und sagen: 'Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Mit euch ist Gott.'" (BigS)


bs, 2. August 2013
Freitags ein Denkanstoß aus dem Hause Israel