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14. Sonntag nach Trinitatis: Lukas 17,11-19 – die zehn Aussätzigen
von Johannes Calvin
11 Und es begab sich, da er reiste nach Jerusalem, zog er zwischen Samarien und Galiläa hin. 12 Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer, die standen von ferne 13 und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesu, lieber Meister, erbarme dich unser! 14 Und da er sie sah, sprach er zu ihnen: Gehet hin und zeiget euch den Priestern! Und es geschah, da sie hingingen, wurden sie rein. 15 Einer aber unter ihnen, da er sah, daß er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme 16 und fiel auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. 17 Jesus aber antwortete und sprach: Sind ihrer nicht zehn rein geworden? Wo sind aber die neun?
Matthäus und auch die beiden andern Evangelisten haben bereits (Matth. 8, 2; Mark. 1, 49; Luk. 5, 12) erzählt, Christus habe einen (einzigen) Aussätzigen geheilt. Daneben berichtet Lukas, das gleiche Heilungswunder habe sich bei zehn Aussätzigen zugetragen. Diese Geschichte will nun aber etwas anderes erreichen: Hier wird die schmähliche, unglaubliche Undankbarkeit des jüdischen Volkes beschrieben, damit sich niemand darüber wundert, daß bei ihnen so viele Wohltaten und Wunder Christi einfach in Vergessenheit begraben wurden. Dazu kommt noch ein Umstand, der ihre Schande nur noch größer macht. Denn obwohl der Herr neun Juden geheilt hatte, dankte ihm auch nicht einer dafür, sondern sie machten sich heimlich davon, so als ob ihnen nicht die geringste Erinnerung ihrer Krankheit geblieben wäre. Nur ein einziger, ein Samariter, bekannte, was er Christus schuldig war. Auf der einen Seite strahlt hier also die göttliche Macht Christi auf; auf der anderen Seite wird den Juden ihre Gottlosigkeit vorgeworfen, die sie ein so herrliches Wunder kaum beachten ließ.
Luk. 17, 13. „Jesu, lieber Meister, erbarme dich unser!“ Alle diese Männer haben natürlich ein gewisses Maß an Glauben besessen. Denn sie flehen Christus nicht nur um Hilfe an, sie zeichnen ihn auch mit dem Titel „Meister" aus. Sie müssen ehrlich und nicht aus Heuchelei so gesprochen haben; denn sie gehorchten sofort. Obwohl sie bis dahin nichts als schmutzigen Aussatz an ihrem Körper sehen konnten, gehorchten sie doch auf der Stelle und ohne Zögern dem Befehl, sich den Priestern zu zeigen. Zudem wären sie niemals zu den Priestern gegangen, wenn ihr Glaube sie nicht dazu getrieben hätte. Denn es wäre lächerlich gewesen, sich den Sachverständigen für den Aussatz vorzustellen, um ihre Reinheit bestätigen zu lassen, wenn ihnen die Verheißung Christi nicht mehr gegolten hätte als der jetzige Anblick ihrer Krankheit. An ihrem Körper tragen sie zwar den Aussatz noch sichtbar mit sich herum; aber im Vertrauen auf das bloße Wort Christi geben sie sich bedenkenlos als rein aus. Man kann also nicht bestreiten, daß ein gewisser Same von Glauben in ihre Herzen eingesenkt war. Es ist zwar sicher daß sie nicht durch den Geist der Kindschaft wiedergeboren waren, trotzdem ist es nicht unsinnig, ihnen gewisse Anfänge der Frömmigkeit zuzusprechen. Um so mehr müssen wir sorgen, daß nicht auch bei uns einmal die Funken des Glaubens, die in uns glimmen, verlöschen. Ein lebendiger Glaube, der durch den Geist der Wiedergeburt feste Wurzeln geschlagen hat, kann zwar niemals ersterben; doch sehen wir hin und wieder, daß viele einen Glauben auf Zeit fassen, der dann gleich wieder vergeht. Gerade dieser Fehler ist nur allzu verbreitet, daß wir in einer drängenden Notlage uns dazu herbeilassen, Gott zu suchen, ja, der Herr selbst treibt uns dazu durch das verborgene Wirken des Geistes; wenn wir dann aber unsere Wünsche erfüllt sehen, wird diese Regung von Glauben verdrängt durch undankbares Vergessen. So erzeugen Not und Hunger den Glauben, und die Sattheit tötet ihn wieder.
Luk. 17, 14. „Zeiget euch den Priestern.“ Statt dieser Antwort hätte Jesus auch sagen können: Ihr seid rein. Denn wir wissen, daß im Gesetz den Priestern das Urteil über den Aussatz übertragen war, damit sie die Reinen von den Unreinen unterschieden. Christus tastet also ihr Recht nicht an und läßt sie Zeugen und Begutachter seines Wunders sein. Darum sagten wir schon, daß die Männer fromm und ehrerbietig von Christus gedacht haben müssen, wenn sie, die bislang krank waren, auf den bloßen Ausspruch Christi hin sofort Hoffnung auf Heilung faßten. Es ist jedoch unsinnig, wenn die Päpstlichen aus dieser Stelle ihre Ohrenbeichte ableiten. Ich gebe zu, daß die Aussätzigen von Christus zu den Priestern geschickt wurden; aber doch nicht dazu, daß sie ihre Sünden in die Ohren der Priester trompeteten, sondern sie wurden vielmehr dazu geschickt, um nach der Vorschrift des Gesetzes ein Dankopfer darzubringen. Und sie wurden auch nicht hingeschickt, um sich reinigen zu lassen, so wie die Beichte den Papisten Reinheit verschafft, sondern um den Priestern zu zeigen, daß sie schon vorher rein geworden waren. Sie sind doppelt töricht, weil sie nicht bedenken, welch schmählichen Flecken sie damit ihrer Beichte anheften; denn nach ihrer Deutung käme aus der ganzen Schar, die zu den Priestern läuft, nur der zehnte Teil zu Christus, alle übrigen aber würden in gottloser Weise abtrünnig! Sie können nämlich mit ihrem Wort Beichte nicht vorschützen, daß man den Erfolg der Lösung wieder aufheben kann, wenn keiner, der von den Priestern kommt, Gott die Ehre gibt. Im übrigen wollen wir das dumme Zeug, zu dem die Erwähnung der Priester geführt hat, auf sich beruhen lassen.
„Und es geschah, da sie hingingen, wurden sie rein.“ Hier strahlt die göttliche Kraft Christi und die seiner Worte auf, und es zeigt sich, wie sehr Gott am Gehorsam des Glaubens Gefallen hat. Denn diese so plötzliche Heilung kam daher, daß sie sich auf gewisse Hoffnung stützten, als sie sich auf den Befehl Christi hin bedenkenlos auf den Weg machten. Wenn schon dieser vergängliche Glaube, der nur Blattwerk hervorbrachte, weil er keine lebendige Wurzel hatte, von Gott mit so wunderbarem Erfolg beschenkt wird, ein wieviel schönerer Preis wartet auf unseren Glauben, wenn er nur treu und fest in Gott verankert ist! Denn obwohl den neun Aussätzigen die Heilung ihres Körpers nichts zur Seligkeit nützte, sondern ihr schwacher, hinfälliger Glaube ihnen nur ein zeitliches Geschenk einbrachte, wird uns doch an diesem Beispiel gezeigt, welche Wirkung erst ein wahrer Glaube haben muß.
Luk. 17, 15. „Einer aber unter ihnen.“ Es ist nicht recht klar, ob dieser eine mitten auf dem Weg umgekehrt ist, wie es die Worte des Lukas anzudeuten scheinen. Es kommt mir jedoch wahrscheinlicher vor, daß er erst zum Danksagen zurückkam, nachdem er das Urteil des Priesters vernommen hatte. Denn der Priester mußte ihm erst die Erlaubnis geben, wieder mit anderen Menschen verkehren zu dürfen; auch durfte er nicht einfach Christi Befehl übergehen und dem Tempel das Dankopfer gegen Gott entziehen. Aber vielleicht gefällt die andere Vermutung besser, daß er sofort, nachdem er sich als geheilt erkannte und bevor er von den Priestern das Gutachten einholte, gekommen ist, weil er von einem frommen heiligen Feuer für seinen Wohltäter ergriffen worden war. Er hätte dann sein Dankopfer erst nach seiner Danksagung dargebracht.
Im übrigen liegt in den Worten Christi ein Vorwurf gegen das ganze Volk (vgl. 17, 17). Voll Bitterkeit vergleicht er den einen Fremden mit der Mehrzahl der Juden, die es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, Gottes Wohltaten ohne eine Regung von Frömmigkeit an sich zu reißen. Und so kam es, daß Christus mit all seinen vielen herrlichen Wundern sich bei ihnen kaum einen Namen machen konnte. Es ist uns jedoch klar, daß diese Anklage ganz allgemein uns alle verdammt, wenn wir Gottes Wohltaten nicht wenigstens so erwidern, daß wir Dankbarkeit dafür zeigen.
Luk. 17, 19. „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Einige Ausleger beschränken das Wort „helfen" auf die Reinheit am Körper. Aber wenn das stimmt, obwohl Christus an dem Samariter doch einen lebendigen Glauben lobt, muß man fragen, auf welche Weise dann den andern neun geholfen worden war. Denn sie alle hatten doch ohne Unterschied die Gesundheit wiedererlangt. Folglich muß Christus die Gnadengabe Gottes hier anders angesehen haben, als es die gottlosen Menschen gewöhnlich tun; er muß sie wie ein Zeichen und Unterpfand der göttlichen Liebe betrachtet haben. Die neun Aussätzigen waren auch geheilt. Doch da sie Gottes Gnade in gottloser Weise vergessen hatten, brachte ihre Undankbarkeit einen Makel für ihre neuerworbene Gesundheit, so daß sie keinen rechten Nutzen aus ihr schöpfen konnten. Allein der Glaube heiligt uns also die Gaben Gottes, so daß sie rein sind und uns durch rechten Gebrauch zum Heil ausschlagen. Christus bezeugt mit diesem Wort auch, wie wir Gottes Wohltaten richtig genießen sollen. Wir sehen daraus, daß die ewige Rettung für die Seele mit dem zeitlichen Geschenk eng zusammenhängt. Durch seinen Glauben wurde dem Samariter geholfen. Doch wie? Sicher nicht nur so, daß er von seinem Aussatz geheilt war (denn das hatte er ja mit den andern gemeinsam). Sondern er war unter die Schar der Kinder Gottes aufgenommen worden, um das Pfand der väterlichen Liebe aus seiner Hand zu empfangen.
Aus: Otto Weber, Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Dreizehnter Band: Die Evangelien-Harmonie 2. Teil, Neukirchener Verlag, 1974, S. 5ff.