Tiere in der Bibel I: Der Strauß

Mit Tieren Gott preisen, von Tieren lernen - Eine sommerliche Kolumne in sieben Folgen. Von Barbara Schenck

Foto: Buitkamp / Schenck

Wer Eier in der Kirche sucht, findet sie dort nicht nur zu Ostern, zumindest in orthodoxen Kirchen. Riesige Straußeneier gehören zum prächtigen Interieur. Der koptische Bischof Anba Damian erklärt in einem Youtube-Video, was diese Eier zu bedeuten haben:

Ein Strauß, der seine Eier behüte und auch in Gefahr nicht von ihnen weiche, sei eine Lehre für Priester, ihre Schäfchen nicht aus dem Blick zu verlieren.

Bibelkundige mag diese Symbolik überraschen, spricht doch die heilige Schrift ganz anders über das Verhalten von Vogel Strauß:
Die Straußenhenne „überlässt ihre Eier der Erde und hält sie warm im Staub und vergisst, dass ein Fuß sie zerdrücken und ein Tier sie zertreten kann. Hart ist sie zu ihren Jungen, als wären es fremde, es kümmert sie nicht, wenn ihre Mühe umsonst war. Denn Gott hat ihr die Weisheit versagt und ihr keinen Anteil an Einsicht gegeben.“ (Hiob 39,14–17)

Wer hat hier die Natur falsch beobachtet? Hiob oder der Bischof? Keiner von beiden. Der Strauß sprengt menschliche Klischees von sorgender, behütender Mutter und gegen Feinde kämpfendem Vater. Ein Straußen-Hahn begattet mehrere Hennen, jedoch nur die Haupthenne bleibt bei ihren Eiern, die in einer Sandmulde ausgebrütet werden. Die Brutfürsorge ist überwiegend Männersache. Der Vater bleibt bei seinen Jungen, sobald Gefahr droht, während die Mutter loseilt, die Angreifer abzulenken und nötigenfalls anzugreifen – mit Fußschlägen, die selbst Löwen fürchten.

Der größte und schnellste Laufvogel, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h überholt er selbst Rennpferde, hat auch schon Hiob beindruckt: „Wenn die Straußenhenne in die Höhe schnellt, lacht sie über Ross und Reiter (Hiob 39,18).
ln biblischen Zeiten lebte der Laufvogel noch im Nahen Osten. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Arabische Strauß ausgerottet. Als Lieferant schöner Federn, guten Fleisches und eines außergewöhnlichen Leders sowie als Reittier ist der Vogel auch heute noch begehrt und wird auf Farmen gezüchtet.

Der Strauß vermittelt Lebensweisheit in Orient und Okzident. Im Persischen heißt der zum Fliegen nicht taugende Vogel „Kamelvogel“ und wurde zum Sinnbild des „Drückebergers“. Fordere man ihn auf zu fliegen, behaupte er, ein Kamel zu sein, wolle man ihm Lasten aufladen, gebe er an, ein Vogel zu sein. Sprichwörtlich: Entweder sei ein Vogel und fliege, oder sei ein Kamel und trage! Mit anderen Worten: Sei kein Strauß und entscheide dich zu handeln, übernimm Verantwortung!

Im Deutschen beruht die Redewendung von der Vogel-Strauß-Politik auf der Beobachtung, der Strauß stecke einfach den Kopf in den Sand, um nicht zu sehen, was um ihn herum bedrohlich Beunruhigendes geschehe. Dem ist natürlich nicht so, vielmehr legt der Vogel sich flach auf den Boden, um Eier und Junge zu schützen. Das kann angesichts des kleinen Kopfes und langen Halses von weitem so aussehen, als sei der Kopf im Sand verschwunden. Aber die großen Augen des Vogels sind wachsam!

Die Bibel hat trotz des verächtlichen Blicks auf den Vogel, der mit Schakalen und Eulen in verwüsteten Gegenden und Ruinen lebt, eine heilvolle Perspektive auch für dieses Tier. In der kommenden Welt wird es Gott preisen, wie Jesaja sagt (Jesaja 43,20):
Gott spricht: „Die Tiere des Feldes werden mich ehren, die Schakale und die Strauße, denn in die Wüste bringe ich Wasser“.

bs, Juli 2016

Mit Tieren Gott preisen, von Tieren lernen

Eine sommerliche Kolumne in sieben Folgen. Von Barbara Schenck