Verbote können befreien

Einspruch! Mittwochskolumne von Georg Rieger

Foto: Georg Rieger

In Sachen Klimaschutz hilft der Appell an die Verantwortung des Einzelnen herzlich wenig. Es braucht klare Ansagen und klare Regeln. Doch an dem Mut, das durchzusetzen, hapert es noch immer.

Das schlimmste Schimpfwort auf dem politischen Parkett ist gerade das Wort „Verbotspartei“. Bevorzugt verwendet es die FDP für die in der Opposition konkurrierenden Grünen. Aber auch über das Parteiengezänk hinaus herrscht die Vorstellung vor: Das mit dem Klima- und Umweltschutz bekommen wir auf freiwilliger Basis schon auch hin. Bloß keine Verbote!

Und so bleibt es uns selbst überlassen, ob wir uns beim Fliegen schämen oder es ganz lassen, unser Gemüse in Baumwollsäckchen packen oder in Plastik verpacktes Biogemüse in den Einkaufswagen legen, diese neuen E-Scooter ausprobieren oder Fahrrad fahren. Macht es Sinn, auf ein Elektroauto zu sparen oder sind Diesel doch nicht so schlecht wie sie gemacht werden? Auf Fleisch ganz verzichten oder geht Biofleisch noch? Wenn wir die Sache ernst nehmen, stehen wir tagtäglich mehrmals vor Entscheidungen, die uns überfordern.

Und dann kommt so ein Erlebnis wie ich es neulich hatte, als ich in Südtirol radeln war – in schönster Natur und natürlich mit dem Zug angereist. Stundenlang rasten unzählige aufgemotzte Sportwagen über die Pässe, eine Geräuschkulisse wie am Nürburgring. Muss ich „freiwillig“ die CO²-Bilanz solcher Menschen, denen das Thema am Arsch vorbeigeht, mit ausgleichen?

Nein, so geht es eben gar nicht. Das ist nicht nur ungerecht, sondern geradezu idiotisch. Und ebenso auch die Behauptung, der CO²-Ausstoß sei allein mit freiwilligen Maßnahmen und ohne zwangsweise Einschränkungen zu reduzieren möglich. Dazu müssten wir ja schon einmal wissen, welcher Verzicht und welche Umstellung wirklich Sinn macht und was nur der Gewissensberuhigung dient.

Es geht vor allem auch deshalb nicht, weil es uns Bürgerinnen und Bürger gegeneinander aufbringt. So wie ich gegen die Freizeit-Rennfahrer Aggressionen entwickelt habe, werden umgekehrt Umweltschützer im Internet als Gutmenschen beschimpft und lächerlich gemacht. Greta Thunberg wird jedes verbrauchte Gramm CO² vorgerechnet und die Kinder, die am Freitag demonstrieren, dürfen kein Wasser mehr aus Plastikflaschen trinken und natürlich auf keinen Fall mehr in den Urlaub fliegen. So und anders hauen wir uns gegenseitig besserwisserisch die Argumente um die Ohren – mit dem Ergebnis, dass bald frustriert die Segel streichen und nichts passieren wird.

Dabei geht es längst nicht mehr um einen Bewusstseinsprozess, der mal irgendwie in Gang gebracht werden müsste. Nein, der Faktor Zeit spielt inzwischen eine erhebliche Rolle. Es geht um nur noch ein paar Jahre, in denen sich die Entwicklung drehen muss. Auch technische Innovationen, die uns von Optimisten versprochen werden, werden mit diesem Zeitplan nicht mithalten können.

In so einer Notsituation braucht es Zusammenhalt. Und den können nur die organisieren, die wir dafür gewählt haben: die Politikerinnen und Politiker. Sie müssen sich mit Fachleuten zusammensetzen. Sie müssen diejenigen Maßnahmen benennen, durch die mit größter Effektivität der Schadstoff-Ausstoß reduziert werden kann. Und dann müssen sie diese Reduktion organisieren – pragmatisch und transparent. Dabei werden Regeln und Verbote unumgehbar sein.

Dass Regeln uns Menschen in die Verzweiflung treiben, uns die Freiheit rauben und das Leben vermiesen, ist ein Mythos. Nicht nur, dass wir mit tausenden Regeln prima leben. Auch Einschränkungen können wir gut wegstecken – wenn wir es gemeinsam tun. Und wenn wir damit sichtbare Erfolge erzielen. Die Bereitschaft zum Mitziehen wird gerne unterschätzt, dabei gibt es viele gute Beispiele für kollektive Vernunft und die Überzeugungskraft der guten Argumente.

Verbote stehen nicht per se im Gegensatz zur Freiheit, sondern sind sogar oft deren Garant. In der Menschheitsgeschichte haben Verbote schon viele Leben geschützt und Gemeinschaft gestiftet. Die zehn Gebote stehen nicht ohne Grund mitten in der Geschichte der Befreiung Israels aus der Knechtschaft.

Immer noch scheint bei denen, die vor einer Öko-Diktatur warnen, die Brisanz der Lage nicht angekommen zu sein. Die Freiheit, ökologische Ressourcen gegen Geld zerstören zu dürfen, war von jeher fragwürdig. Sie bleibt es, wenn die Angelegenheit allein über den Preis geregelt werden soll. Es braucht auch Verbote, von denen sich Reiche nicht freikaufen können – Regeln, die für alle gleichermaßen gelten. Diese durchzusetzen braucht es freilich Mut. Und genau den müssen wir denen machen, für die wir oft nur Spott und Verachtung übrighaben. Die Politik, die uns vertritt, muss es regeln, und wir müssen sie dabei unterstützen.