Bewusstsein für den Wert der Lebensmittel schärfen

Westfalen: Landeskirche und Bauernverband feierten gemeinsam Erntedank

Im Gespräch: Präses Annette Kurschus, WLV-Vizepräsident Wilhelm Brüggemeier, links Moderator Holger Kasfeld © EKvW

Ein respektvoller Blick auf die Gaben Gottes und die Verantwortung für kommende Generationen sind das gemeinsame Anliegen von Kirche und Landwirtschaft. Das wurde deutlich bei einer Veranstaltung zum Erntedank, zu der die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) und der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) zusammen nach Herford-Elverdissen eingeladen hatten.

„Es ist unbedingt nötig, dass wir von Ihren Problemen erfahren. Und dass Sie uns sagen, wo Sie uns an Ihrer Seite brauchen“, ließ Präses Dr. h. c. Annette Kurschus die zahlreich erschienenen Vertreterinnen und Vertreter der Landwirtschaft wissen. Deshalb „sollten wir weniger übereinander, sondern mehr miteinander sprechen“, so die leitende Theologin der EKvW. Genau das geschah an diesem Abend. Die Bewahrung der Schöpfung sei für die Kirchen seit Jahrzehnten ein zentrales Thema. „Wir waren schon frühzeitig auf dieser Spur, und es hat sich gelohnt, dass wir konsequent dran geblieben sind.“ Denn es gehe um Verantwortung auch für die nachfolgenden Generationen, so die Präses.

Für WLV-Vizepräsident Wilhelm Brüggemeier gibt es kein besseres Beispiel für nachhaltiges Wirtschaften als die Land- und Forstwirtschaft – und das seit Jahrhunderten. Er gab zu bedenken, dass vor knapp 50 Jahren vier und heute weltweit acht Milliarden Menschen ernährt werden müssen. Das gehe nicht ohne moderne Produktionstechnik. Dieser Sachverhalt, aber auch das Konsumverhalten müssten viel stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Die Landwirte würden die Öffentlichkeit gerne über Haltungs- und Nutzungsbedingungen informieren.

Das bekräftigte Hermann Dedert, Vorsitzender des WLV Kreisverbandes Herford-Bielefeld. Die Kirche neige aus seiner Sicht zu einem zu wenig differenzierten Bild von der Landwirtschaft, sagte er. Es gebe da manche einseitigen Vorurteile. Die Bauern seien selbstverständlich bereit, über das Wohl ihrer Nutztiere zu sprechen, aber: „Es muss wirtschaftlich machbar sein.“

Die Zielkonflikte zwischen Ökonomie und Ökologie lassen sich zwar nicht so leicht lösen, findet Volker Rotthauwe, Leiter des Fachbereichs Nachhaltige Entwicklung am Institut für Kirche und Gesellschaft der EKvW. Die Kirche müsse das Bewusstsein für den Wert der Lebensmittel „als Mittel zum Leben“ schärfen und selber mit gutem Beispiel vorangehen: „Da ist noch Luft nach oben, etwa bei der Bratwurst am Gemeindefest.“

Beim Gottesdienst in der Dorfkirche Elverdissen hatte Präses Annette Kurschus zuvor in ihrer Predigt deutlich gemacht: Wer Gott für die guten Gaben seiner Schöpfung dankbar ist, wird sich auch dafür einsetzen, dass andere genug zum Leben haben. „Erntedank heißt zuallererst: ‚Gott sei Dank‘. Und ‚Gott sei Dank‘ heißt immer: Kein Mensch gerät aus dem Blick.“

Sie erinnerte an die zwiespältigen Folgen einer guten Ernte: sinkende Preise – zur Freude der Verbraucher und zum Nachteil der Landwirte. Sie erinnerte an die schädlichen Folgen industrieller Fleischproduktion – von gequälten Tieren bis zum Klimawandel. Aber auch an die Impulse von „Brot für die Welt“ für eine gerechtere Landwirtschaft weltweit. Und ebenso an das „Höfesterben“ bei Familienbetrieben. Vor diesem unübersichtlichen Hintergrund gelte das Versprechen Gottes: Jeder einzelne Mensch ist wichtig und wird gebraucht: „Dein tägliches Mühen ist kein verpuffender Tropfen auf heißem Stein.“

Jeder werde von Gott gehört und zur Verantwortung gerufen: „So, dass du die stummen Bitten derer vernimmst, die immer überhört und überstimmt werden. So, dass dir zu Herzen geht, wenn andere Mangel leiden. So, dass du gar nicht anders kannst, als das Deine zu tun, um wenigstens eine einzige klitzekleine Lücke zu schließen.“ Dankbarkeit richte den Blick auf Gerechtigkeit, auf ein Leben, „in dem alle genug haben, in dem niemand auf Kosten anderer genießt und keiner sinnlos verprasst, was andere bitter nötig bräuchten.“


Quelle: EKvW