Ulrich Gäbler: Calvins Kirchenbegriff war demokratisch

Ein Vortrag in der Evangelischen Akademie Wien analysierte die theologischen Absichten des Genfer Reformators

(epdÖ). ''Die Träger der Reformation in Österreich blieben einem obrigkeitlichen Kirchenmodell verhaftet. Es fehlte das Wissen und der Wille zum Aufbau einer kirchlichen Organisation 'von unten'. Bei Calvin wären sie zu lernen gewesen.'' Das sagte der Professor für Kirchengeschichte an der Universität Basel, Ulrich Gäbler, am 4. Mai in Wien in einem Vortrag zum Thema "Johannes Calvin - Weg und Wirkung" zur oft gestellten Frage, warum der lutherisch geprägte Protestantismus in Österreich die Maßnahmen der Gegenreformation relativ widerstandslos hingenommen habe.

In seinem von der Evangelischen Akademie anlässlich des 500. Geburtstags Calvins veranstalteten Vortrag hob der aus Österreich stammende Kirchenhistoriker hervor: "Kein anderer Reformator hat aus persönlicher Anschauung die kirchliche und politische Lage besser gekannt als Calvin." Der Kirchenbegriff des Schweizer Reformators habe ein starkes demokratisches Element enthalten und habe sich damit dem entstehenden absolutistischen Staat widersetzt: "Calvin lehnte prinzipiell aus biblischen wie aus praktischen Gründen die Staatskirche ab." Für den Reformator sei die einzelne Gemeinde Kirche gewesen. Hier liege auch der Grund für Calvins Verständnis von Kirchenzucht, die Gemeinde selbst habe gegen sittliche Vergehen vorgehen müssen. Nach Calvin müsse "jede redliche Theologie Glaube und Handeln zueinander bringen". Auch seine Lehre von der "doppelten Prädestination" hat Calvin, so Gäbler, auf die Bibel, insbesondere auf Paulus, zurückgeführt. Die Vorherbestimmung zum Heil oder zur Verdammnis sei für Calvin "Teil der Gnadenwahl" gewesen, ein "Geheimnis, das ganz zu Gott gehört". Wie der Kirchengeschichtler erläuterte, habe die Erwählung zum Heil für die durch die Verfolgungen der Gegenreformation entwurzelten Menschen einen starken Trost und eine "Zufluchtsstätte" auf der Wanderschaft der Kirche bedeutet, "bei den ewig Verdammten hat Calvin wohl an seine katholischen Gegner gedacht". Für Calvin habe Gott der Schrift Autorität verliehen, allerdings, so Gäbler kritisch, "bei der ewigen Verdammnis weiß Calvin mehr als die Schrift".

In diesem Zusammenhang betonte der Referent auch, da für Calvin die Erwählung auf einem Geheimnis beruhe, sei sie nicht an Erfolgen äußerlich ablesbar. Daher könne kapitalistisches Denken nicht von Calvin abgeleitet werden.

Ein Lebensweg "von der Heimat in die Fremde"
Zur Persönlichkeit des Genfer Reformators berichtete Gäbler, der in seinem Vortrag Calvins Lebensweg von seinem Geburtsort Noyon über Basel, Straßburg bis nach Genf nachzeich- nete, in autobiographischen Äußerungen habe sich Calvin "auffallend zurückgehalten". Allerdings gelte: "Seine Biographie sah Calvin als einen Weg von der Heimat in die Fremde. Das sollte für sein Denken bestimmend werden." Trotz seiner Neigung zu "Konsequenzmacherei" und "Ordnungsfanatismus" sei er ein "überragender Gelehrter" gewesen, für den Luther zeitlebens die grundlegende Leitfigur der Reformation geblieben sei.

Die anschließende Diskussion, in der auch Calvins Auswirkungen auf Ungarn, die Niederlande und die USA zur Sprache kamen, moderierte der Studienleiter der Evangelischen Akademie Wien, Pfarrer Roland Werneck.

Quelle: Pressemeldung epdÖ
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Internetseite der Ev. Kirche A.B./H.B. in Österreich: www.evang.at
06.05.2009 epdÖ/Thomas Dasek

 

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