'Null-Toleranz bei judenfeinlichen Sprüchen'


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Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2018 erklärt Kirchenpräsident Martin Heimbucher:

Der 27. Januar 1945 war der Tag, an dem endlich, endlich (!) das industriell organisierte Morden in Auschwitz gestoppt wurde. Männer, Frauen und Kinder konnten befreit und vor dem sicheren Tod bewahrt werden. Aber eine unübersehbare Zahl anderer war bereits getötet worden. Deshalb ist der 27. Januar heute ein Tag der Besinnung und ein Tag, der uns verpflichtet, gerade auch als christliche Kirchen. Hier in Leer und in vielen anderen Städten feiern Christen unterschiedlicher Konfessionen an diesem Tag miteinander einen nachdenklichen Gottesdienst.

Wir Christen denken am 27. Januar zuerst daran, dass es über Jahrhunderte hinweg schrecklicherweise die Kirche selber war, die Juden verächtlich gemacht hat, sie entrechtet und der Gewalt und dem Tod preisgegeben hat. Für viele jüdische Gemeinden war der Karfreitag oft ein Schreckenstag, weil Christen dem Wahn verfielen, den Tod Jesu an ihren jüdischen Nachbarn zu „rächen“.

Die Nazis haben diesen Rassenwahn auf die Spitze getrieben. Sie wollten alle Juden in ganz Europa ausrotten. Und fast wäre es Ihnen gelungen. Es erfüllt mich mit Scham, dass die meisten Christen in Deutschland damals zu diesem himmelschreienden Unrecht und dem systematischen Morden geschwiegen haben. Dass sie weggeschaut haben und nicht wissen wollten, was mit ihren jüdischen Nachbarn geschah, wenn sie abtransportiert wurden.

Dabei ist es so: Hass und Willkür gegen Juden widersprechen dem christlichen Glauben im Kern. Denn Jesus Christus war Jude. Karl Barth hat recht, wenn er urteilt: „Antisemitismus ist Sünde gegen den Heiligen Geist.“ Darum gilt: Wer gegen Juden hetzt, trifft auch die Kirche. Und wir dürfen nie wieder dazu schweigen. Christen müssen Stopp sagen und einschreiten, wenn judenfeindliche Sprüche und Parolen laut werden.

In der politischen Diskussion gilt: Wer den Völkermord an den Juden verharmlost oder gar leugnet, begeht nicht nur eine Straftat. Er untergräbt die Grundlagen unseres Staates und unserer Zivilisation. An dieser Stelle müssen Christinnen und Christen ganz besonders wachsam sein.

Auch wer neu in unser Land kommt, muss erfahren und respektieren: Bei judenfeindlichen Sprüchen gilt: null Toleranz! Manchen Flüchtlingen aus der arabischen Welt ist von Kindheit an eingeredet worden: „Die Juden sind an allem schuld!“. Wir verteidigen Flüchtlinge, wenn sie und wegen ihrer Herkunft oder ihres Glaubens abgestempelt oder zu Unrecht verdächtigt werden. Aber auch sie selbst müssen jede Feindseligkeit gegenüber Menschen anderen Glaubens und anderer Herkunft unterlassen.


Kirchenpräsident Dr. Martin Heimbucher