Evangelische Kirche von Westfalen

Obwohl die Reformatoren Martin Luther und Johannes Calvin nie in Westfalen waren, haben ihre Gedanken das kirchliche Leben in Westfalen stark beeinflusst. Bereits 1524 waren in westfälischen Städten reformatorische Predigten zu hören. Nach und nach entstanden auf westfälischem Boden lutherische und reformierte Gemeinden.

Die Herzöge, die in Westfalen die Grafschaften Mark und Ravensberg besaßen, erlaubten in ihren Territorien die Bildung reformatorischer Gemeinden, die sich relativ selbständig entwickeln konnten. Auch Anhänger Zwinglis und Calvins bildeten selbständige Gemeinden. Erst der Westfälische Frieden von Münster und Osnabrück 1648 führte zur reichsrechtlichen Gleichstellung der Reformierten mit den Lutheranern und Katholiken.

König Friedrich Wilhelm III. erließ 1817 den Unionsaufruf, der die Vereinigung der evangelischen Konfessionen zum Ziel hatte. Da jedoch nicht alle westfälischen Gemeinden diesem Aufruf folgten, kam es zu einer Verwaltungsunion, in der bis heute lutherische, reformierte und unierte Gemeinden verbunden sind. In der rheinisch-westfälischen Kirchenordnung von 1835 wurde erstmals die presbyterial-synodale Tradition rechtlich verankert. Sie besagt, dass die Kirche nicht durch Konsistorien von oben sondern durch Presbyterien und Synoden von unten geleitet wird.

Im Dritten Reich formierte sich die Bekennende Kirche als Widerstand gegen die Kirchenpartei der »Deutschen Christen« und die nationalsozialistische Ideologie. Unter der Leitung des westfälischen Präses Karl Koch konstituierte sich 1934 in Dortmund die erste westfälische Bekenntnissynode. In Barmen trat die erste Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zusammen. Ihr wichtigstes Ergebnis ist die Barmer Theologische Erklärung.

Bis 1945 war die westfälische Kirche als Kirchenprovinz Westfalen Teil der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union (APU). Im Rahmen der Neuordnung der APU erfolgte die Verselbstständigung als Evangelische Kirche von Westfalen, die mit der Kirchenordnung 1953 die presbyterial-synodale Ordnung unserer Kirche festgeschrieben hat.

Die Gemeinden in der EKvW leben aus den Traditionen der Reformation: Kirchengemeinden mit unterschiedlichem Bekenntnisstand (evangelisch-lutherisch, evangelisch-reformiert, evangelisch-uniert) sind in der unierten westfälischen Kirche miteinander verbunden. Die meisten reformierten Gemeinden finden sich im Siegerland, im Tecklenburger Land und im Wittgensteiner Land.

Die Leitung der EKvW liegt bei der Landessynode unter der Leitung der Präses. Seit 2012 ist Annette Kurschus Präses der westfälischen Landeskirche.

Kontakt:

Evangelische Kirche von Westfalen
Landeskirchenamt
Altstädter Kirchplatz 5
33602 Bielefeld
Telefon: 0521 594-0
Fax (Zentrale): 0521 594-129
E-Mail: info@evangelisch-in-westfalen.de
Home: www.evangelisch-in-westfalen.de



Gottesdienst be-gehen - geistliches Gemeindewachstum

Pfarrerin Rugenstein aus Potsdam referierte auf dem 39. Nachbarschaftstreffen der evangelisch-reformierten Gemeinden in Ostwestfalen und Südniedersachsen.

Eine Gottesdienstordnung, die eine Gemeinde "wachsen lässt" - in gezählten Häuptern und geistlich, hat Hildegard Rugenstein, Pfarrerin der Französisch-Reformierten Gemeinde Potsdam den Glaubensgeschwistern aus Ostwestfalen und Südniedersachsen am 9. Oktober im Kloster Möllenbeck vorgestellt.

Von Anfang an waren die rund 120 Teilnehmer aus reformierten Gemeinden in Bielefeld, Bückeburg/Stadthagen, Herford, Melle, Minden, Möllenbeck, Rinteln, Soest und Vlotho selbst mitten drin im Thema ihrer diesjährigen Versammlung. Der traditionelle Gottesdienst zu Beginn des Treffens fand nach der Potsdamer Gottesdienstordnung statt. Das hieß: viel Gesang - z.B. alle neun Strophen von Psalm 68 - im Stehen!, einleitende Informationen zum Predigttext im Anschluss an die Schriftlesung, kein Gesang, sondern Instrumentalmusik beim Einsammeln der Kollekte und ein antwortendes "Amen" der einzelnen Gemeindeglieder, immer wenn vorne ein Amen gesprochen wurde. "Ich bin mit dem Gehörten mitgegangen", könnten die Teilnehmer so selbst bezeugen, erläuterte Rugenstein, und könnten mit einem besonders lauten "Amen" das Gehörte bekräftigen: "Weiter so!"
Ein Herzstück des Potsdamer reformierten Gottesdienstes ist das gemeinsame Psalmengebet. Nach dem Psalm des Sonntags wird gemeinsam gebetet - mit den Worten von Sylvia Bukowskis Psalm der Woche. Dabei folgen die Betenden nicht der leitenden Stimme einer Vorbeterin, sondern sprechen je für sich, leise, um die Nachbarn nicht zu stören, die auf einem Faltblatt abgedruckten Worte. Wer wollte da betend die eigenen "Wehwehchen pflegen, und darüber ganz vergessen, wer es wirklich schwerhat im Leben" (Gebet nach Psalm 68). In der Tat eine neue Erfahrung des gemeinsamen Betens.

Gott, der Sozialarbeiter

Die Predigt zum sog. "Bilderverbot" in 2. Mose 20,5-6 lebte von einem genauen Hinsehen auf die biblischen Worte im hebräischen Urtext. Bereits in der Übersetzung wurden aus den "10 Geboten" die "10 Worte", aus "du sollst nicht" ein "du wirst nicht". Gott hat dich befreit, du musst dich von anderen Mächten nicht erniedrigen lassen, verkündete die Pastorin der versammelten Gemeinde. Der "Ewige" sei eine "leidenschaftliche Macht", die die Missetat der Elterngeneration heimsucht. Das "Heimsuchen" ist im Klang der Hebräischen Sprache ein Suchen. Wenn die Eltern schlimme Fehler begangen hätten, würde Gott sich besonders um die darunter leidenden Kinder und Enkel kümmern, sie aufsuchen, ja suchen, wie ein Hirte das Verlorene suche. Gott handle wie ein moderner "Sozialarbeiter".
Der Zuspruch Gottes im Friedensgruß nach der Kollekte folgte - in Anlehnung und Abänderung - einer Übersetzung des Neutestamentlers Klaus Haacker, um den Indikativ besonders hervorzuheben: "Der Friede Gottes, der allen Verstand überragt, wird eure Herzen und Sinne in Jesus Christus bewahren." (>>> Friedensgruß in Potsdam)

Das geistliche Gemeindewachstum nährt sich auch von guten Beispielen anderer. Rugenstein nannte in ihrem nachmittäglichen Impulsreferat die Weltgebetstagsordnung, liturgische Texte aus Grand Rapids bei der Vereinigung der beiden reformierten Weltbünde, den Fürbittkalender des Ökumenischen Rats der Kirchen (www.oikoumene.org/de.html) und jede Menge unterschiedlicher, möglichst urtextgetreuer Bibelübersetzungen wie z.B. die Elberfelder oder die Bibel in gerechter Sprache (BigS) und für das eigene Fragen im Glauben das reformierte Einmaleins in den 48 Fragen aus Zürich auf: www.glauben12.ch.
Tipps kämen oftmals von Reformierten aus anderen Ländern, z.B. auf die Frage: Was machen wir in Europa in unseren Gottesdiensten falsch? -  "Ihr redet zu viel über Gott. Ihr müsst mehr mit Gott reden!"

Das Predigtteam - Mündige Gemeinde

Ein Predigtteam trifft sich in Potsdam vor jedem Gottesdienst zur Bibellese und zur Vorarbeit für eine Predigt. Diese Gruppe treibt mit guten Ideen für den Gottesdienst das quantitative und das qualitative Wachstum der Gemeinde voran. Hier werden Gottesbilder und die "Bild-Bilder" (>>> Michael Weinrich) im eigenen Kopf hinterfragt. Hauptfrage an den Bibeltext sei aber, so Rugenstein: Für wen im vorliegenden Bibeltext passiere etwas Gottgewolltes, etwas, das gut tue? Und dann weiter: Wie gehen wir gut miteinander um? Aus dem Gespräch im Predigtteam entsteht öfters eine Predigt, manchmal auch mehrere kleine, die hält am Sonntag nicht die Pastorin, sondern ihre Verfasserinnen und Verfasser persönlich. "Das ist ja schon mündige Gemeinde!" ruft ein Teilnehmer aus Bielefeld ganz begeistert. "Das ist unser Ziel", Rugenstein bescheiden.

Den Nörglern, die auch auf diesem Reformierten-Treffen, wie beim sonntäglichen Gottesdienst, die vielen grau-weißen Häupter mokieren, kontert Rugenstein: Welch eine "Fülle von lebenserfahrenen Menschen" haben wir in der Kirche. Menschen, mit 70 Jahren oftmals noch fit und mit 80 geistig rege genug, um einen Computerkurs zu belegen.
Solche Häupter, Seite an Seite mit dem jüngeren Nachwuchs, sollten auch rege genug sein, die Gottesdienstgestaltung in der eigenen Gemeinde zu reformieren. Eine schöne Hoffnung, oder gar mehr? Etwa nach dem Slogan der Potsdamer Reformierten: "Hoffst du noch oder erwartest du schon?"

Barbara Schenck, 9. Oktober 2011

Weitere Informationen zum Predigtteam in Potsdam:

http://www.geistreich.de/experience_reports/80

Fotoimpressionen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Barbara Schenck, 9. Oktober 2011
Gemeinschaft über die Landes- und Kirchengrenzen hinweg

Seit dem Jahre 1973 stehen die evangelisch - reformierten Gemeinden aus Ostwestfalen und dem südwestlichen Niedersachsen in einem engen Austausch.
 

Nach oben   -   E-Mail  -   Impressum   -   Datenschutz