Religiöse Sozialisten fordern interreligiöse Räte zur Unterstützung des demokratischen Wandels in arabischen Staaten

Keine politische oder religiöse Autorität hat das Recht, die Gleichheit von Frauen und Männern aller Glaubensrichtungen und Traditionen zu missachten

Die International League of Religious Socialists (ILRS, Internationale Liga der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten) hat auf ihrem Kongress in Stockholm Mitte Juni 2012 eine Erklärung zum "Arabischen Frühling" veröffentlicht.

Erklärung der Internationalen Liga der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten in Stockholm zum Arabischen Frühling

Interreligiöse Räte können den demokratischen Wandel in den arabischen Ländern unterstützen

Der Arabische Frühling begann in Tunesien und löste ein demokratisches Erdbeben in der arabischen Welt aus, das den gesamten Europäisch-Mediterranen Raum erfasst hat. Angesichts der Entschlossenheit der arabischen Völker, in freien und demokratischen Ländern zu leben, sahen sich arabische Diktatoren und ihre Beschützer in den westlichen Eliten gefährdet, zuweilen gar verängstigt.

Tunesien und Ägypten haben bereits freie und demokratische Wahlen abgehalten und neue parlamentarische Versammlungen eingerichtet. Der Weg zur Demokratie ist aber gewunden, und viele Hindernisse liegen auf dem Weg. Die Bildung demokratischer Parteien und die Verbreitung einer Kultur der Demokratie unter Männern und Frauen, bei jung und alt und sowohl in den Eliten als auch unter gewöhnlichen Menschen ist ein langwieriger Prozess. Die ehemaligen Eliten geben ihre wirtschaftlichen Privilegien und ihren unverhältnismäßigen Einfluss nur widerwillig auf. Wirklichen Wandel bewirken diejenigen, die tatsächliche Reformen hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit anstreben, diejenigen, die von tief greifenden Veränderungen profitieren werden. Der bloße Austausch einiger weniger mächtiger Einzelpersonen ist nicht ausreichend.

Religion kann eine Quelle der Inspiration für wirklichen Wandel sein und zur Gleichbehandlung aller Menschen animieren. Viele Religionen sind auf Wohltätigkeit und Teilen ausgerichtet, so dass niemand Schaden oder Hunger leiden soll. Religionen können auch zum Kampf für soziale Gerechtigkeit motivieren – Bischof Desmond Tutu spielte eine herausragende Rolle in derAnti-Apartheidsbewegung in Südafrika. Wir wissen aber auch, dass die Apartheid durch christliche Theologen inspiriert war. Es lässt sich also sagen, dass ChristInnen und AnhängerInnen anderer Religionen mit ihrem Glauben sowohl soziale Gerechtigkeit als auch Ungleichheit rechtfertigen können.

Wir als religiöse Menschen bekunden unsere Überzeugung, dass Männer und Frauen, Menschen aller Glaubensrichtungen und Traditionen vor Gott gleich sind und dass keine politischen oder religiösen Autoritäten das Recht haben, diese Gleichheit zu missachten. Aus dieser Gleichheit ergeben sich politische Forderungen, die zur Befreiung der Menschen und zur Förderung von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit beitragen.

Der ILRS Kongress ruft politische und religiöse Führungspersönlichkeiten in den Ländern des Arabischen Frühlings auf,

- funktionierende und vertrauensvolle Formen der Zusammenarbeit zwischen religiösen Leitern verschiedener Traditionen zu etablieren. Solche interreligiösen Räte können zu einem Klima des Vertrauens beitragen, in dem religiöse Führungspersonen in einer sozialen Krise weise und kooperativ handeln.

- regelmäßige Treffen zwischen religiösen und politischen Führern in den Ländern des Arabischen Frühlings abzuhalten, um das gegenseitige Verständnis und den Respekt voreinander zu befördern.

- sich für den Erfolg des Demokratisierungsprozesses einzusetzen und für das Ziel sozialer Gerechtigkeit und Würde für alle sowie einer Verfassung, die diese Rechte garantiert.

Wir bitten die politischen Führer in allen ILRS-Mitgliedsländern

- Prozesse der Demokratisierung in den Ländern des Arabischen Frühlings mit gewaltfreien Mitteln zu unterstützen und Austausch und Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft – einschließlich Religionsgemeinschaften und politischen Organisationen – in den ILRS- Ländern und in den Ländern des Arabischen Frühlings zu unterstützen.

Übersetzung aus dem Englischen Thorsten De Jong, Bund der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten Deutschlands e.V.

Internetseite des Bundes der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten Deutschlands e.V.:

www.brsd.de

Internetseite des Internationalen Liga der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten:

www.ilrs.org

 


Juni 2012, Pressemeldung des Bundes religiöser Sozialistinnen und Sozialisten, Schriftleiter Dr. Reinhard Gaede